Sonntag, 14. Juni 2009

Pressemitteilung anlässlich der Konferenz "For More- Development through Sport" am 09./10. Juni 2009

Köln. In der vergangenen Woche hat an der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) die erste in­haltliche Konferenz im deutschen Raum „For- More-Development through Sport“ stattgefunden. Zu den Organisatoren des „Forums Sportpolitik“ gehörte auch Sebastian Rockenfeller, der bereits 2007 und 2008 Projekte in Rundu in Kooperation mit dem Regionalbüro des Ministry of Education durchführte: „Das Projekt basierte im Wesentlichen auf vier Säulen: Durchführung eines interkultu­rellen Sportlehrer/innenworkshops, sportliche Infrastrukturentwicklung, Förderung des Schulsports und des außerschulischen Sports. Diese sehr fruchtbare Kooperation kann jedoch nur dauerhafte Ef­fekte erzielen, wenn eine wissenschaftliche Begleitung beider staatlicher Hochschulen und eine Fi­nanzierung gesichert ist.“

Die Ressortleiterin „Internationales“ des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Katrin Mer­kel bedauerte die prioritäre Ausgestaltung und Entsendung der Experten und Expertinnen im Rah­men der bilateralen Vereinbarungen zur „Förderung der Auswärtigen Kulturpolitik“ durch das Aus­wärtige Amt mit dem Ziel der Sportförderung und Sympathiewerbung für Deutschland durch den Sport. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Reinhold Hemker unterstrich die Forderung nach einer Wei­terentwicklung und Ausweitung der Entwicklungszusammenarbeit durch Sport im Dienste von Ent­wicklung, Frieden und Bildung. Er verwies hierbei auf die bestehenden Vereinbarungen der Regie­rungen im Rahmen der Milleniumsentwicklungsziele (MDGs) und forderte die Anwesenden auf, den Druck auf Wissenschaft und Politik zu erhöhen und ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Der im Jahre 2007 für sieben Monate in Namibia tätige Alexander Katzer, der zur Zeit seine Dok­torarbeit über „Physical Education in Namibia“ verfasst, kritisierte darüber hinaus die fehlende wis­senschaftliche Anbindung und Kooperation in Deutschland. Er sprach sich für eine verstärkte Zu­sammenarbeit deutscher Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit den Teacher Colleges, dem National Institute for Educational Development (NIED) und der University of Namibia (UNAM) durch Erschaffung eines „Internationalen Graduiertenzentrums als Dachstruktur“ aus, welches „eine gemeinsame Aufarbeitung, Weiterentwicklung sowie Grundlagen- und Sonderforschung ermögli­chen würde und so auch zu einer verstärkten Integration und Stärkung des Bildungs- und Sportbe­reichs beitragen könnte“.

Die DSHS Institutsleitung für „Internationale Sportpolitik und Freizeitforschung“ um Dr. Karen Pe­try und Dr. Michael Groll äußerten insbesondere durch die Konferenzbeiträge seitens der Universi­tät von Madrid ernsthaftes Interesse, den Bereich „Sport und Entwicklung“ zukünftig auch in Deutschland zu fördern und institutionell zu verorten. Eine Konzeptionierung soll im Rahmen von Werkstattgesprächen auf den Weg gebracht werden.

Aufruf

Auf internationaler Ebene hat die Beschäftigung mit dem Themenfeld „Sport und Entwicklung“ in­itiiert durch politische Kampagnen, wie das „Europäische Jahr der Erziehung durch Sport“ (2004) oder das „UN Jahr des Sports und der Leibeserziehung“ (2005) bzw. europäische Beschlüsse (Europäische Charter, Sport-Modell, Helsinki Report, Erklärung von Nizza, Weißbuch des Sports, Akti­onsplan Pierre de Coubertin) und internationale Vereinbarungen, Initiativen und Konferenzen zum Stand des Schulfaches Physical Education (Weltgipfel des Schulsports, MINEPS I-V, CIGEPS, NextStep) so­wie zu den Effekten von Bewe­gung und Sport auf Wirtschaft, Gesundheit, Bildung, Entwick­lung und Frieden seit Mitte der 90er Jahre auf politischem Terrain eine Renaissance erlebt.
Die UN hat im Rahmen der im Jahr 2000 verkündeten Milleniums-Entwicklungs­ziele (MDGs) die „Interagency Task Force on Sport for Development“ damit be­auftragt, den Beitrag des Sports zur Erreichung der MDGs zu untersuchen. Der Bericht „Sport für Entwicklung und Frie­den“ empfiehlt, Sport und andere kör­perliche Tätigkeiten besser in entwicklungspolitische Maßnahmen zu integrie­ren. So wurde das Jahr 2005 zum “Internationalen Jahr des Sports und der Lei­beserziehung” er­klärt, in dem die UN Projekte, Konferenzen und Kampagnen in­ternational koordinierte und förderte. In diesem Kontext wurde mit Adolf Ogi, jetzt Willi Lemke, ein „Sonderberichterstatter für Sport im Dienste von Entwick­lung und Frieden“ mit Büro in Genf (UNOSDP) berufen und eine “Arbeits­gruppe für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden“ (IWG-SDP) eingesetzt. Diese stellte ih­ren vorläufigen Bericht 2006 und ihren endgültigen Bericht „Harmes­sing Power of Sport for Deve­lopment and Peace: Recommendations for Govern­ments“ Ende 2008 vor. Dieser nimmt in seinen Empfehlungen Regierungen in die Pflicht, einen Schwerpunkt „Sport und Entwicklung“ zu etablie­ren, der einen Nachweis über konkrete Politiken und Programme ermöglicht und eine kontinu­ierliche gesicherte Förderung und Beschäftigung garantiert. Zur Programmüberwachung, Bewertung und Evaluation ist die (internationale) Forschungskoordination zu verbessern, um eine bessere Dokumentationsbasis zu gewährleisten.
Die Auseinandersetzung mit „Sport und Entwicklung“ stellt in der deutschen Sportwissenschaft ein Desiderat dar. Obwohl zunehmend mehr Studierende ihre Praktika und Abschlussarbeiten in den Ländern des Südens absolvieren und ein personeller Einfluss auf internationaler Ebene mit Willi Lemke, der ehe­maligen Präsidentin des ICSSPE Prof. Gudrun Doll-Tepper und dem Vizepräsiden­ten des IOC Thomas Bach, fehlt es an institutionalisierter Verortung und konti­nuierlicher Grundla­genforschung in diesem Bereich.
Daher fordern wir folgendes Vorgehen:
  • Werkstattgespräche Beteiligter aus Sport, Politik und Wissenschaft
  • eine formale gemeinsame Erklärung seitens des Sports, der Wissenschaft und der Politik, die eine ernsthafte Auseinandersetzung und deren Finan­zierung gewährleistet
  • Nutzung von Anknüpfungspunkten aktueller (sport-)politischer Kontexte, wie dem IOC In­ternational Forum on Sport, Peace and Development, dem UNESCO Programm „Quality Physical Education“, der Umsetzung der Mil­leniumsentwicklungsziele, der UN Bildungsde­kade Bildung für eine Nach­haltige Entwicklung, dem UN Büro für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden
  • eine inhaltliche wissenschaftliche Auseinandersetzung in sportwissen­schaftlichen Studien­gängen durch Konzipierung von Modulen, Masterstu­diengängen und internationalen Koope­rationen im Kontext des Bologna­prozesses
  • Etablierung eine Graduiertenzentrums (Internationale Graduate School/ Promotionskol­legs/ Internationales Kolleg für Geisteswissenschaftliche Forschung) als Dachstruktur und Ort der wissenschaftlichen Aufarbeitung, Begleitung, Weiterentwicklung, Koordination und interna­tionaler Koopera­tion finanziell gefördert durch das BMBF (Internationalisierungsstrategie, Internationales Kolleg für Geisteswissenschaftliche Forschung) bzw. die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Hier könnte eine Grundlagen­forschung angesiedelt sein, die thematisch auf Langzeitstrategien von „Sport und Entwicklung“, sowie Kurzzeitprojek­te im Sinne von „Post-Di­saster-Interventionen“ eingeht (ebenso Sonderforschungsbe­reiche mög­lich) und deren Potential für Sport und Schulsport in Deutschland (als in­terkulturelles Set­ting) reflektiert. Masterstudiengänge sind integrierte Programme des Gra­duiertenzentrums.
  • Einrichtung einer ad-hoc Arbeitsgruppe in der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs)
Diese Maßnahmen sollen im Dienste der ganzheitlichen emanzipatorischen De­finition der UNES­CO „Interna­tional Charter of Physical Education and Sport“ helfen, Sport und Physical Education über ein kostengünstiges Instrument der EZ hinaus, das positiven Einfluss auf soziale, gesundheitli­che und wirtschaftli­che Probleme in den Entwicklungsländern ausüben könnte, als einen Beitrag zur Verwirklichung des individuellen „Recht[es] [...] als integrative[n] Bestand­teil qualitativ hochwerti­ger Bildung und Entwicklung“ und im Einklang der grundlegenden Prinzipien des Olympismus einen Beitrag dazu leisten, „Sport in den Dienst der harmonischen Entwicklung des Menschen zu stellen, um eine friedliche Gesellschaft zu fördern, die der Wahrung der Menschenwürde ver­pflichtet ist“

Warum dieser Blog?

Die Erkenntnis, dass ein Zusammenhang zwischen "Sport" und "Entwicklung" besteht ist bezogen auf eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung nichts Neues (vgl. z.B. 2. Kinder- und Jugendsportbericht 2008). International hat sich durch politische Kampagnen (Europäisches Jahr der Erziehung durch Sport 2004, UN Jahr des Sports und der Leibeserziehung 2005), Konferenzen (beispielhaft: IOC Forum über Sport, Frieden und Entwicklung 2009) und Beschlüsse (UNESCO Charter for Physical Education and Sport 1978, UN Sport for Development and Peace 2003, EU White Book on Sport 2007) auch die Rolle des Sports als Instrument der Entwicklungszusammenarbeit etabliert.
Dieser Blog versucht diesen Prozess kritisch zu beleuchten, eine erste Verortung für interessierte Studierende und WissenschaftlerInnen zu initiieren und so zum Thema in Forschung, Lehre und Studium der "deutschen" Sportwissenschaft zu machen.